Die Geschichte des Taekwondo beginnt 1945 mit der Befreiung Koreas von japanischer Besetzung.

Aus den vergangenen zwei Jahrtausenden finden sich verschiedene Zeugnisse dafür, daß in Korea schon lange Zeit waffenlose Kampfkünste mit chinesischem und einheimischem Ursprung ausgeübt wurden und zeitweise eine prominente Rolle spielten. Diese Historie wird in vielen Büchern über Taekwondo in aller Breite abgehandelt (siehe dort), allerdings sehr oft, um damit eine jahrtausendealte durchgehende Geschichte des Taekwondo zu reklamierien, z.B. werden dort die alten Kampfkünste einfach als frühe Formen des Taekwondo bezeichnet. In der spärlichen Überlieferung finden wir die Bezeichnungen Subakhi und KwonBeop schon für die frühere Zeit, sowie TaekKyeon, ein wohl originär koreanisches Zweikampfspiel, bei dem fast nur Fußtechniken eingesetzt wurden, das vom Ende des 18ten Jahrhunderts an nachgewiesen ist und von dem einige der Taekwondo-Gründer behaupteten, es in ihrer Kindheit erlernt zu haben.
Bis zum Ende des 19ten Jahrhunderts waren jedoch aus gesellschaftlichen Gründen das Interesse an Kampfkünsten oder Kampfsport und deren Akkzeptanz weitgehend verschwunden.
Zudem wurde während der japanischen Besetzung Koreas vom Anfang des 20ten Jahrhunderts (offizielle Annexion 1910) bis 1945, die mit massiver Unterdrückung der koreanischen Kultur einher ging, 1909 (bis 1943) die Ausübung und Lehre jeglicher Kampfkünste in Korea verboten, was dazu führte, daß diese bis 1945 fast ausgestorben waren (die beiden mutmaßlich letzten TaekKyeon-Meister traten erst 1958 wieder in Erscheinung).

In der turbulenten und unsicheren Nachkriegszeit werden etliche TangSuDo-Kwans (Kwan kann hier etwa mit Schule übersetzt werden) eröffnet und erhalten regen Zulauf. Die fünf wichtigsten, die an der Entwicklung des Taekwondo beteiligt sein sollten, und von denen jede im Lauf der Zeit zahlreiche Dojangs eröffnet, sind: CheongDoKwan (bereits 1944), JiDoKwan, MuDeokKwan, ChangMuKwan und SongMuKwan.
Nach Ende des Koreakrieges (1950-53), der das Land extrem verwüstete, und nach zeitweiser Einstellung der Kwan-Tätigkeit werden weitere wichtige Kwans gegründet, insbesondere KangDukWon, HanMuKwan, JeongDoKwan und ODoKwan.

Die gebräuchlichsten Namen für die in den Kwans geübte Kampfkunst sind TangSu[Do] ([Weg der] China-Hand, die ältere Bezeichnung für Karate[Do], dabei steht die Tang-Dynastie im Kontext der Kampfkünste synonym für China.), KongSu[Do] ([Weg der] leere[n] Hand, wobei die chinesischen Zeichen für Tang und leer im Japanischen beide als Kara gelesen werden können.) oder KwonBeop (Faust-Methode, chinesisch Quanfa). Gegenüber Ausländern wird meist die Bezeichnung koreanisches Karate gebraucht.

Die Gründer und sonstige Lehrer der ersten Kwans hatten überwiegend während ihrer Ausbildung in Japan Karate erlernt. Zum Beispiel hatten etliche im Shotokan (koreanisch SongDoKwan) trainiert, einige andere waren etwa ranghohe Danträger des Shudokan geworden. Zum Teil war auch Erfahrung in chinesischen Systemen (Quanfa,…) vorhanden. Einzelne lernten auch zuerst autodidaktisch, nachdem sie Zugang zu entsprechenden chinesischen und japanischen Büchern gefunden hatten.

Dieses TangSu erhält schließlich eine eigene, deutlich “koreanische”, Ausprägung, die es u.a. vom japanischen Karate abhebt. Es entsteht eine neue Kampfkunst und ein neuer Kampfsport, mit besonders augenfälligen Neuerungen in den 1960er und frühen 1970er Jahren. Hervor zu heben sind die auffallende Bevorzugung von Fußtechniken mit der Entwicklung von zuvor nicht gesehenen Dreh- und Sprung-Techniken, sowie der sportliche Zweikampf (bei der ersten zentralen Danprüfung der KTA 1962 werden bereits Kampfwesten eingesetzt) mit seiner ausgefeilten Beinarbeit.

(Man könnte die Entwicklung auch so sehen: das nahezu ausgestorbene KwonBeop kehrt in veränderter Gestalt von einem anderen seiner Zweige auf dem Umweg über Japan nach Korea zurück, wird bald wieder “koreanisiert” und entwickelt sich stürmisch weiter.)

1953 gründet CHOE Hong-Hui (1918-2002), der viel zur Entwicklung und Ausbreitung des Taekwondo beitragen sollte, innerhalb der Armee seine Schule ODoKwan (Schule meines Weges, hauptsächlich mit früheren CheongDoKwan-Mitgliedern) und wird Ehrenvorsitzender des zivilen CheongDoKwans. CHOE hatte in Japan Shotokan-Karate erlernt und unterrichtet. Er hatte in der neu gegründeten (süd-)koreanischen Armee, wo er auch von Anfang an seine Soldaten in TangSu unterrichtete, eine steile Karriere (1953 schließlich Generalmajor) durchlaufen und Rückhalt für die Verbreitung der Kampfkunst in der Armee beim damaligen koreanischen Präsidenten I Seung-Man gefunden.
In seiner Position – zu dieser Zeit muss jeder Koreaner einen dreijährigen Wehrdienst ableisten – kann CHOE viele TangSu-Meister zur Mitarbeit gewinnen, sie setzen CHOEs Ideen um und bringen auch neue Techniken mit.

Spätestens seit dem Koreakrieg gab es Bestrebungen, eine einheitliche Bezeichnung für die Kampfkunst zu finden und die verschiedenen Kwans in einer gemeinsamen Organisation zu vereinigen, so gab es eine kurzlebige KongSuDo-Assoziation oder MuDeokKwans TangSuDo- später SuBakDo-Assoziation.

1955 bildet eine Gruppe um CHOE Hong-Hui mit Hilfe eines Wörterbuches den Namen Taekwondo. Dabei ist es kein Zufall, daß dieser ähnlich wie TaekKyeon ausgesprochen wird und jeden außerkoreanischen Bezug vermeidet. CHOE kann schließlich die Zustimmung des koreanischen Präsidenten gewinnen und den neuen Namen proklamieren, der jedoch außerhalb von CheongDo- und ODo-Kwan nicht übernommen wird.
Seit Ende der 50er Jahre schickt CHOE auch auf eigene Initiative Demoteams und Taekwondolehrer in verschiedene, zunächst asiatische, Länder.
1959 gelingt es ihm, ODo-Kwan und die fünf großen Kwans in der Korea Taekwondo Assoziation (KTA) unter seiner Präsidentschaft zusammen zu schließen. Diese KTA bricht aber im folgenden Jahr, nach Ende der Regierung I Seung-Man, schon wieder auseinander.

Nach dem Staatsstreich 1961 gründen auf Drängen der neuen Regierung die Kwans der 1959er KTA und weitere die Korea Taesudo Assoziation (Tae aus Taekwondo, Su aus Tang-/Kong-Su und SuBak), die beim koreanischen Amateursport-Verband registriert wird.

CHOE Hong-Hui stellt in der Folgezeit, als Botschafter außer Landes, seine in den 50er Jahren begonnene Serie der Chang-Hon-Hyeongs fertig (Hyeong, Pumsae, Tul können alle in etwa mit Form übersetzt werden), die die hergebrachten TangSu- und Quanfa-Formen ablösen sollen, doch außerhalb seines direkten Einflußbereichs ignoriert werden.

1965 wird CHOE der dritte Präsident der KTA. In dieser Amtszeit setzt er die Änderung von TaeSuDo in Taekwondo – nun endgültig – durch und leitet die erste Taekwondo-Demo-Tour durch Europa, die dort rasch zur Einführung des Taekwondo führt. (Der hier zu Lande bekannte KWON Jae-Hwa, 1972 Bundestrainer, war Mitglied dieses Demoteams)

Nach seinem Ausscheiden gründet er 1966, damals noch mit Unterstützung der KTA, die Internationale Taekwon-Do Föderation (ITF), deren Präsident er bis zu seinem Tode bleiben wird, mit anfangs neun Landesverbänden, darunter einem in Deutschland.

1968 führt die KTA siebzehn neue Pumsae als die offiziellen Taekwondo-Formen ein, neun Pumsae für Dangrade und die Palgwae-Serie für Kup-Grade. Die Palgwae-Serie wird 1972 von der Taeguk-Serie abgelöst.

Die Sektion Taekwondo im Deutschen Judobund (DJB) wird 1968 gegründet.

1971 wird Taekwondo als Koreas Nationalsport (Kukki Taekwondo) proklamiert und die KTA verstärkt die Bemühungen um Internationalisierung, die zuvor hauptsächlich von der ITF getragen wurden.

1972 wird Kukkiwon, der zentrale Dojang der KTA in Seoul, fertig gestellt, künftig zuständig für die Festlegung des Taekwondo-Curriculums, für Dan-Prüfungen und für die Trainerausbildung der KTA und später auch der WTF.
Im selben Jahr wird Taekwondo in den offiziellen Lehrplan der koreanischen Schulen aufgenommen.

CHOE Hong-Hui emigriert 1972 nach Kanada und verlegt den Sitz der ITF nach Toronto.

1973 wird von der KTA in Seoul die erste Taekwondo-Weltmeisterschaft durchgeführt und im Anschluß die Welt Taekwondo Föderation (WTF) gegründet. Die Sektion Taekwondo im DJB ist Gründungsmitglied.
Die WTF wird in den folgenden Jahren den internationalen Taekwondo-Sportbetrieb und die Verankerung des Taekwondo in verschiedenen internationalen Sportverbänden, zuletzt als olympische Disziplin, voran treiben.
Die WTF-Gründung markiert daneben die endgültige Trennung von KTA und ITF.

1974 führt die ITF ihre erste Weltmeisterschaft in Montreal durch.

1978 wird die Vereingung der Taekwondo-Kwans in der KTA durch formale Abschaffung der Kwans abgeschlossen. Diese geben ihre restlichen Kompetenzen bezüglich der Danprüfungen und als Repräsentanten des Taekwondo an KTA und Kukkiwon ab.

1980 wird die WTF durch das IOC anerkannt.

1981 wird die Deutsche Taekwondo Union (DTU) als Nachfolgerin der Sektion Taekwondo im DJB gegründet.

1982 reist CHOE Hong-Hui mit einem Demoteam der ITF nach Nordkorea, was dann auch dort die Verbreitung des Taekwondo einleitet. In den kommenden Jahren lehnen sich CHOE und die ITF stärker an Nordkorea an.

1988 und 1992 ist Taekwondo Vorführungsdisziplin bei den olympischen Spielen.

2000 ist Taekwondo erstmals als reguläre Sportart bei den olympischen Spielen vertreten.


Für die, die über die Geschichte des Taekwondo und die beteiligten Personen mehr als im obigen Abriß erfahren wollen, folgt hier eine Liste von leicht zugänglichen einschlägigen Abhandlungen:

  • Auszüge in englischer Übersetzung aus Modern History of TaeKwonDo von KANG Won-Sik und LEE Kyong-Myung, Seoul 1999, ISBN 978-8935801244
    an mehreren Stellen im Internet zu finden, z.B. unter:
    http://www.kukkitaekwondo.com/tkdhistory.pdf
    http://tkd.stanford.edu/documents/tkd_history.pdf
  • http://www.martialartsresource.com/anonftp/pub/the_dojang/digests/history.html

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Kang Won-Sik begann 1952 im SongMu-Kwan mit TangSuDo und ist zur Zeit – Juli 2010 – Kukkiwon-Präsident.
Lee Kyong-Myung ist auch Autor des Buches “Richtig Taekwondo” und hat(te) verschiedene Ämter in der WTF inne.

  • Interview mit CHOE Hong-Hui in Taekwondotimes(.com), Januar 2000, Seiten 44-58, z.B. unter
    http://www.taekwondotimes.com
    http://itf-schweiz.tripod.com/intervie.htm
    __________
    CHOE Hong-Hui hat neben vielen Taekwondo-Lehrbüchern auch Bücher über die Geschichte des Taekwondo (aus seiner Sicht) verfaßt.
  • Part 2: Korean Karate – The Present “The Hands Are For Hypnotizing”
    von KIM Pyung-Soo, 1966.
    http://www.kimsookarate.com/articles/history2.html
  • Portions of Taekwondo: The Spirit of Korea, Dr. Steven D. Capener, ROK 2000,
    http://www.martialartsresource.com/anonftp/pub/the_dojang/digests/spirit.html
  • Problems in the Identity and Philosopy of T’ae…, Dr. Steven D. Capener
    http://www.teamusa.org/~/media/USA_Taekwondo/Documents/Coaching/ACQuiz/History%20of%20Taekwondo.pdf
  • People and Events of T’aekwondo’s Formative Years von Dakin Burdick, 1997,
    http://web.archive.org/web/20080414100328/http://www.goviamedia.com/Korea-DB.pdf
    ins Deutsche übersetzt als
    Aus den Gründerjahren des Taekwondo von Thomas Kuklinski-Rhee, 2005, unter
    http://sites.google.com/site/tomkukirhee/Home/kuki-won/

kurze ergänzende Einblicke in die Entwicklung liefern diese Interviews:

  • Korean Karate History: Why All Of The Confusion? An Interview With GM Kim Pyung-Soo, Juli 2006, z.B. unter
    http://www.arlingtonkarate.com/articles/KoreanMAtruth.pdf
  • Einige Abschnitte aus einem Interview mit I Jong-U (LEE Chong-Woo), Shin Dong-A Monatsmagazin, April 2002, in englischer Übersetzung unter
    http://www.tkdreform.com/yook_article.pdf
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    I Jong-U (1928-?), ehemaliger JiDo-Kwan-Präsident und KTA-/WTF-Organisator seit den 50er Jahren, Mitglied des Komitees, das die Taegeuk-Pumsae schuf, treibende Kraft hinter der Einführung der elektronischen Kampfweste, begann 1946 mit KwonBeop .
  • Interview mit I Won-Kuk (LEE Won-Kuk), Tae Kwon Do Times, Volume 17, Numero 3 del Marzo 1997
    http://www.tangsudo.com/index.php/it/gmaestro-lee-won-kuk
    __________
    I Won-Kuk (1907-2003) ist der Gründer des CheongDo-Kwans.